Es gibt zwei zwischenmenschliche Themen, um die ein Gründerteam womöglich einen Bogen macht, weil sie recht unerfreulich sind. Stattdessen verlässt man sich auf die trügerische Sicherheit von juristischen Verträgen.
Wie geht man üblicherweise vor, wenn man als Gründerteam ein Unternehmen gründen möchte?
Benötigt man keinen Finanzierer/Investor, dann ist man sich in etwa einig, wer welche Aufgaben übernehmen soll und man kann kaum abwarten, damit loszulegen.
Braucht man doch einen Finanzierer/Investor wird es ein wenig komplizierter. Denn dann wird erwartet, dass man detailliert in einem Businessplan die Tätigkeiten, Kompetenzen, Fähigkeiten und relevanten Berufserfahrungen der agierenden Personen im Gründerteam erläutert.
Dann kommen noch die rechtlichen Fragen daran wie z. B. Rechtsform und Gesellschaftsanteile. Womöglich freut man sich, dass ein erfahrener Investor einem eine Muster-Gesellschaftervereinbarung zusendet, in der allerlei rechtliche Fragen bereits vorsorglich ausformuliert sind.
So oder so, man sitzt früher oder später vor einem Anwalt, der mit seinem Juristen-Sprech auf jede Frage mit „das kommt darauf an“ antwortet.
Um ein Gleichnis zu bemühen: Wenn man so wie oben vorgeht, dann kauft man erst einen Sattel, um anschließend das dazu passende Pferd zu kaufen! Denn der Anwalt hat leider recht. Es kommt tatsächlich darauf an, was die Mitglieder des Gründungsteams wirklich wollen.
Nachfolgend greife ich zwei essenzielle zwischenmenschliche Themen heraus, um die man m. E. nicht selten einen großen Bogen macht, weil sie recht unangenehm zu behandeln sind. Nachdem Sie diese Themen behandelt haben, werden Sie recht sicher wissen was Sie wollen!
1. Die Scheidungsmodalitäten
Im Berufsleben ist es nicht anders als im Privatleben auch: Beziehungen können sich durchaus unerwartet und schnell auflösen. Dafür kann es charakterliche Gründe geben, die plötzlich zutage treten, wie z. B. Gier, Lug und Trug oder Überschätzung der eigenen Fertigkeiten und Fähigkeiten. Oder aber auch situative Gründe wie z. B. eine unerwartete schwere Erkrankung oder Uneinigkeit über den künftigen Weg. Die Frage ist: Wie geht man auseinander, wenn es nicht zu kitten ist?
Es hat einen guten Grund, warum man Eheverträge vor der Ehe abschließt und darin auch die Scheidungsmodalitäten regelt. Denn zu diesem Zeitpunkt ist man sich gegenseitig wohlgesonnen und man möchte, dass alles fair geregelt ist. Und sollte einer der Ehepartner doch unfaire Vorstellungen haben, dann ist es gut, dass man das noch vor der Ehe herausfindet, nicht wahr?
Bei geschäftlichen Scheidungen ist es letztlich nicht anders. In einer sehr entscheidenden Frage unterscheiden sie sich sogar: Sie brauchen nicht nur eine Regelung für den Fall, dass Sie die Gemeinschaft verlassen wollen, sondern auch für den Fall, dass Sie möchten, dass ein Partner ausscheidet!
Von Mensch zu Mensch und mit Wohlwollen
Reden Sie von Mensch zu Mensch ganz offen und mit Wohlwollen über dieses Thema. Zu diesem Zeitpunkt brauchen Sie nämlich keine rechtliche Beratung. Ziehen Sie bei Bedarf einen fachkundigen Mediator/Moderator hinzu und gleichen Sie Ihre Sichtweisen ab: Wie sollte das Thema kommuniziert werden? Welche Vorgehensweise empfänden Sie selbst als fair, wenn andere wollen, dass Sie die Gemeinschaft verlassen? Wie sollte man ganz konkret vorgehen, um das Ausschlussverfahren zu initiieren? Was ist eine faire Lösung, wenn die anderen nicht das nötige Geld haben, um Ihnen Ihre Anteile sofort abzukaufen? U. v. a. m.
Dadurch erkennen Sie die Absichten und Verhandlungspositionen der Mitglieder des Gründerteams. Diese sollten Sie dann in einer weichen Absichtserklärung festhalten. Sie können sich anschließend zielgerichtet beraten und die (steuer-)rechtlichen Konsequenzen und die Umsetzungsmöglichkeiten durchleuchten lassen und ggfs. Änderungen vornehmen.
Diese Logik gilt ebenfalls für den 2. Punkt.
2. Die Strategieanpassungsmodalitäten
Wie fing alles an? Vermutlich hat einer im Team eine super Geschäftsidee gehabt und konnte die anderen dafür begeistern. Man macht seine Hausaufgaben, recherchiert, kalkuliert, plant und alles scheint zu passen.
Egal wie gut man sich vorbereitet, man hat es dennoch bislang mit reinen Trockenschwimmübungen zutun. Manche Herausforderungen werden nämlich erst dann sichtbar, wenn man tatsächlich im offenen Meer zu schwimmen beginnt.
So kann es einem durchaus passieren, dass man sich bereits nach kurzer Zeit zugestehen müsste: Die Kuh fliegt nicht so wie wir es uns ausgedacht hatten. Der eine meint: Wir müssen einfach nur eine längere Durststrecke aushalten. Der andere meint: Wir müssen den Businessplan der Realität anpassen. Der Dritte meint: Lieber die Reißleine ziehen und raus. Eine emotional sehr schwierige Situation für alle Beteiligten.
Unternehmerische Entscheidungen: Es kann nur einen geben
Strategieberater empfehlen nicht selten, dass man strategische Entscheidungen kollektiv treffen sollte. Davon halte ich persönlich aus folgendem Grund nichts:
Wenn man eine Marktlücke entdeckt hat oder eine Nische besetzen möchte, dann gibt es womöglich kaum aussagefähige Daten und Statistiken, die man sammeln und auswerten kann. Eine Objektivierung ist dann nicht möglich. Eine strategische Entscheidung ist somit nicht selten eine reine Bauchentscheidung, die Mut und Risikobereitschaft voraussetzt. Solche (unternehmerischen) Entscheidungen sind wahrlich nicht jedermanns Sache.
Sogar dann, wenn sich zwei oder mehr Menschen mit echter Unternehmer-Mentalität zusammengefunden haben, was passiert, wenn zwei von ihnen zu unterschiedlichen Bauchentscheidungen kommen? Ewige Diskussionen, Blockadehaltung, faule Kompromisse.
Daher plädiere ich für eine Person, die die Gesamtstrategie verantwortet. Sie lässt sich selbstverständlich von ihren Kollegen, Mitarbeitern und Experten beraten und inspirieren, aber letztlich legt sie allein die Strategie fest und steht dafür gerade.
Um diese Aufgabe erfolgreich meistern zu können, wird sie andere für ihren Weg durch Fakten und Emotionen überzeugen und begeistern müssen, damit sie den Weg mit ihr gemeinsam gehen. Im Gegenzug bekommt sie ein belastbares Mandat der Kollegen und Anteilseigner für die Ausübung genau dieser Tätigkeit.
Was ist Ihnen als Gründungsmitglied wichtiger: Ihr Titel und Gehalt oder der Firmenwert und die Ausschüttungen?
Wer im Gründerteam diese Person sein sollte, hängt sowohl von den Fertigkeiten und Fähigkeiten der einzelnen Mitglieder ab als auch von den gegenseitigen Erwartungen.
Denn: Wenn die geniale Idee hinter der Unternehmensgründung von mir stammt und ich höchst persönlich die besten Produkte gestalten kann, heißt noch lange nicht, dass ich automatisch auch der beste Kandidat bin, um das Unternehmen als CEO immer wieder strategisch auszurichten und Investoren, Mitarbeiter und Geschäftspartner für die Mission des Unternehmens zu begeistern.
Damit wären wir beim Thema Aufbau- und Ablauforganisation und die dazugehörigen Erwartungen an die unterschiedlichen Rollen im Unternehmen. Dazu später mehr.
Wir Menschen treten nicht selten mit der Attitüde eines kooperativen und professionellen Geschäftspartners auf. Wir halten dabei unsere wahren Absichten, Ängste, Bedürfnisse oder Vorurteile im Verborgenen und halten uns gedanklich diverse Hintertüren offen.
Für eine langfristige Partnerschaft ist es daher essenziell, dass man die Fassade durchbricht und herausfindet, was man wirklich denkt und will. Sich mit schwierigen und unangenehmen Themen auseinander zu setzen, ist ein Garant, um dieses Ziel zu erreichen.
Betrachten Sie daher schriftliche Verträge jedweder Art als eine reine Formsache, die lediglich festhalten sollen, was die Parteien wirklich wollen.
Ein sehr wichtiger Punkt für ein Gründerteam wäre auch vorher sich über finanzielle Sonder-Themen Gedanken zu machen. Diese wären z.B.:
Die Nachschußpflicht der Gesellschafter, z.B. wenn der Geschäftsbeginn mehr Kosten verursacht / finanzielle Mittel benötigt als vorher geplant.
Die ersten Entnahmen der Gesellschafter, z.B. wenn die ersten Einnahmen zwar erzielt wurden, aber die dazugehörigen Aufträge noch nicht abgeschlossen/abgearbeitet sind.
Solche Themen werden umso wichtiger, je unterschiedlicher die privaten Vermögenslagen der Gesellschafter sind.